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RadioAusstellung

Aufzeichnungen / Drawing Radio / BLMK

Halt auf freier Strecke

»Auf den Zeichnungen von Frank Diersch bewegt sich alles auf einer Reise in meinen eigenen Kontinent zu. Auf diesem Parcours sieht er die alltägliche, doch banale Welt in ihrer unbehaglichen Fremdheit, aber auch das Arkadien an lichteren Horizonten.« Roland März


Der 1965 in Ostberlin geborene Künstler bewegt sich mit seinen Papieren auf den hellen Wegen neben den Gleisen, vorbei an Landschaften und gesellschaftlichen Orten. So wie die Menge der Zahlen zwischen zwei Werten unendlich groß ist, so ist dem Zeichner die Ausdehnung des begrenzten Areals zwischen den inneren Haltestellen ein Kosmos.

Das Erkunden von Räumen hinter den Enden der Landkarten führt in die Zonen und Areale des Zeichners F.D. Auch wenn es scheinbar die weißen Flecken der Terra Incognita nicht mehr geben mag, sind sie zentrale Behauptung in den Arbeitsweisen von Frank Diersch. Das unbesiedelte Papier ist Energielieferant und Baugrund zugleich, es führt in jede Höhe und hält freudig Abgründe bereit.

Der Grund bewegt sich spielend zwischen Text, Bild und Komposition und streift die angrenzenden Bereiche des Sicht- und Hörbaren. Denn es geht nicht um die Abbildungen dessen, was gesagt werden kann. Die zu erschließenden Gebiete des Wissens bedürfen einzig der voranschreitenden Annäherung durch Weltanschauung. Wissen meint hier, das Vorhandene, das Sichtbare und Unsichtbare in allen Formen, sie bilden das Konvolut des Wissens, das erst noch aufgeschlossen werden muss. Das Wissen liegt also wie ein bräsiger Stein, der in der Sonne dämmert, oder wie ein Heuhaufen bereits da. Wir können es sehen. Die Aneignung vollzieht sich ausschließlich durch Aufzeichnung, Eintragung ins Bild. Besitz also, weit jenseits des Berührbaren und Immobilen. Besitz des Entgleitenden, des Umwölkten da drüben. Besitz und Grund auf und ab der Zeit. Die Zeichnung eines überwucherten Schlosses in hügeligem Land nach dem Krieg, war lange Zeit einer von wenigen Belegen für die Herkunft der Produzentengemeinschaft F.D.

Als die Kartensysteme mobil wurden, und uns der Boden unter den Füßen auf Schritt und Tritt zu folgen begann, kam auch der Gedanke auf, daß die gezeichneten und geschriebenen Gebilde in den Bildern zu einem einzigen großen Gesamtbild gehören, von dem wir jeweils nur einen Ausschnitt sehen, in Maßstab und Skalierung unserer Navigation. Das Papierformat als Zoom zwischen Satellit und Sediment überführt das Gen für Anfänge in lesbare Strukturen.

Der zeichnende Mensch ist also aufgefordert, seine knappe Zeit damit zu verschwenden, Weltzugänge zu öffnen oder wenigstens anzubahnen, und sei es mit einfachen Mitteln, um für solitäre Modelle der Existenz zu werben.


Hugo de Saint Paul, 2023

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